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Rhein-Neckar-Filmfries
Projektbeschreibung


 

Inhalt

Vorwort
Kulturströme
Das Konzept
Die Realisierung
Der Wandfilm

 

 

 zum Seitenanfang Vorwort

Ulrich Bernhardts Filmfries von Rhein und Neckar im Internet

"Die Zeit ist eine Uhr ohne Ziffern."   (Ernst Bloch)

Für die vorliegende Präsentation musste ich auf 10 Jahre alte Rohabzüge im Format 8 x 10 Inch der damals noch rein fototechnisch hergestellten Fotocomposings zurückgreifen, weil digitale Verfahren noch nicht zur Verfügung standen und außer den in der Stadtbahn-Haltestelle "Messe Killesberg" in Stuttgart gezeigten Originalen keine Fotocomposings dieser Werke existieren.

(Bild Nr. 90 aus der Serie "Der Neckar" habe ich von Hand pixeln müssen, weil der Rohabzug dieses Fotocomposings nicht mehr aufzutreiben war. Es fällt im Vergleich zu allen anderen Bildern grobkörniger aus!)

Von diesen Rohabzügen fertigte ich zunächst Scans an, die ich anschließend auf einer Unix-Workstation mit Hilfe eines Batch-Jobs an eine Bildbearbeitungssoftware übergab, um sie beschneiden und auf die Bildschirmauflösung (72 dpi) sowie in ein kleineres Format (760 Pixel Breite bzw. 380 Pixel Höhe) umrechnen zu lassen.

Auf die gleiche Art wurden bei allen Bildern einheitlich Helligkeit, Kontrast, Farbsättigung und Schärfe korrigiert. Am meisten Zeit beanspruchten die anschließende Feinkorrektur und Retusche jedes einzelnen Bildes. Die Retusche war notwendig zur Entfernung von Oberflächenkratzern und die für Rohabzüge typischen einbelichteten Staubpartikel.

Alle Fotocomposings des Original-Filmfrieses in der Stadtbahn-Haltestelle "Messe Killesberg" in Stuttgart sind einheitlich hoch, aber unterschiedlich breit. Für die vorliegende Präsentation setzte ich dies folgendermaßen um: Das Seitenverhältnis der Mehrzahl der Originale beträgt 2:1 (Breite:Höhe), dies entspricht einer Breite von 760 Pixeln und einer Höhe von 380 Pixeln für die Darstellung auf dem Bildschirm, die als Maximalwerte festgelegt wurden. Die wenigen schmaleren Bilder wurden in der maximalen Höhe von 380 Pixeln und einer Breite von 500 Pixeln skaliert, die wenigen breiteren Bilder in der maximalen Breite von 760 Pixeln und einer Höhe von 316 Pixeln. Alle Bilder erhielten einen Rahmen mit einheitlichen Außenmaßen, die darin von den Bildern nicht in Anspruch genommene Fläche wurde in der Rahmenfarbe eingefärbt.

Zur Erhaltung einer möglichst hohen Qualität, die vor allem zur Wiedergabe des Detailreichtums erforderlich war, wurden die Bilder mit einer Größe nicht unter knapp 50 KBytes im jpg-Format gespeichert, wodurch sich natürlich eine längere Ladezeit ergibt.

Dasselbe gilt übrigens für die Thumbnail-Leisten, die einen sehr guten Eindruck von Ulrich Bernhardts beiden 153 m langen Filmfries-Teilen vermitteln und zur Navigation durch das Projekt dienen. Sie bestehen aus 51 (Rhein) bzw. 53 (Neckar) Bildern von je ca. 3000 Bytes Größe, woraus sich eine Gesamtgröße von ca 150 bzw. 155 KBytes für die Thumbnail-Leisten ergibt.

Ich weiß, dass dies keine webgerechten Dateigrößen sind! Bedenken Sie aber bitte, dass es sich bei den hier präsentierten Arbeiten um Kunstwerke handelt.

Gönnen Sie sich und diesen Werken Zeit! Ulrich Bernhardt hat damit auf hochinteressante und wunderschöne Weise zwei südwestdeutsche Flusslandschaften porträtiert, besser kann Heimatkunde nicht vermittelt werden.

Am besten wirkt die Präsentation übrigens bei einer Bildschirmauflösung von 1024 x 768 Punkten und im Vollbild-Modus des Browsers.

Viel Vergnügen!

Hans P. Mahnke / Stuttgart, 06.06.2002

Hinweis

Zur Kontrolle Ihrer Bildschirmeinstellungen können Sie die bereitgestellte Seite "Bildschirmtests" benutzen.

 

 

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Kulturströme

Filmfries von Ulrich Bernhardt, 1991-1993

Mit seinem 306 m langen Filmfries hat Bernhardt ein Porträt der Flüsse Rhein und Neckar geschaffen. Beide Flüsse werden von ihrem Ursprung bis zu ihrem Zusammenfluss dargestellt und über Zusammenbelichtungen (Fotocomposings) mit Menschen, die hier wirkten und leben, ebenso wie mit zeithistorischen, geologischen und lokalen Elementen porträtiert. Bernhardt hat auf diese Weise einen Filmfries geschaffen, der Sequenzen künstlerisch gestaltet und das Trennende der Bilder - sowohl örtlich als auch zeitlich - aufhebt. Durch die Zusammenbelichtungen entstanden ineinander greifende Sinnbilder.

Bernhardt fotografierte auf Kodak Filmmaterial. Die Fotocomposings und die 102 Scanachrome-Vergrößerungen wurden im Düsseldorfer Fachlabor Farbfoto Harz nach Angaben des Künstlers hergestellt.

Vita

  • 1942 geboren in Tübingen
  • 1966-1969 Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart
  • 1970-1977 freischaffender Künstler
  • 1978-1986 Künstlerischer Leiter des Künstlerhauses Reuchlinstrasse, Stuttgart
  • 1987 Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg
  • seit 1986 wieder freischaffender Künstler
  • lebt und arbeitet in Stuttgart
  • Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland

Werkteile

  • seit 1968 Objekte
  • seit 1973 Arbeiten mit Video
  • seit 1977 Projekte über griechische Mythen
  • seit 1978 Videoinstallationen
  • seit 1980 Videologe
  • seit 1981 Rauminstallationen
  • seit 1985 Arbeiten mit Raum-Zeit-Phänomenen in der Fotografie
  • seit 1989 Panoramen, Foto-Sequenzen und Filmfriese
 

 

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Das Konzept

Wie alles begann . . .

Anfang 1990 kamen die Architekten Egenhofer und Dübbers, die mit der Gestaltung der neuen Stadtbahn-Haltestelle "Messe Killesberg" in Stuttgart betraut waren, auf den Foto- und Video-Künstler Ulrich Bernhardt - bekannt durch seine Foto-Sequenz-Arbeiten im Großformat - zu: Für die unterirdische, riesige Bahnsteighalle sollte eine künstlerische Konzeption erstellt werden, die auf harmonische Weise die immense Länge der Halle "entzerren" und für die Öffentlichkeit ein ansprechendes, kommunikatives und einmaliges Raumerlebnis schaffen sollte.

Im Mai 1990 präsentierte Bernhardt sein Konzept: einen Filmfries über die Flüsse Rhein und Neckar, der, beidseitig in der Haltestelle angebracht, jeweils einen Flusslauf "porträtieren" sollte.

Für die Dramaturgie seiner Filmfriese wählte er die epische Form

Typische Landschaften und Orte entlang der Flussläufe wollte er, durch eine doppelte Bildebene, arrangiert und individuell abgestimmt als "Foto-Geschichte mit Film-Charakter" aufbauen. Integriert werden sollten die Menschen, die hier wirkten und leben ebenso wie kulturhistorische Bezüge und geologische oder andere Besonderheiten. Dahinter stand außerdem die Idee, dem Betrachter ein verkehrtes "pictures-in-motion-Erlebnis" zu vermitteln. Denn durch die Fahrt in/aus dem Bahnhof oder das Abschreiten entlang der Bilder wird ein Horizont geschaffen, der eine interessante Loslösung von Ort und Zeit suggeriert.

Nach der Genehmigung durch die zuständigen Gremien - die Stuttgarter Straßenbahn AG, das Tiefbauamt und den Gemeinderat der Stadt Stuttgart - konnte Anfang 1991 mit der Realisierung des Projekts begonnen werden.

 

 

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Die Realisierung

Der Künstler auf der Fährte von Rhein und Neckar . . .

Bernhardt begab sich auf die Reise und gleichzeitig auf die Suche nach den "Ursprüngen" der Flusslandschaften:

Am Rhein entlang von seinen Quellen des Vorder- und Hinterrheins über den Hochrhein und entlang seiner Strömung im Bodensee, den Oberrhein weiter bis zum Neckarspitz in Mannheim, wo er auf den Neckar trifft. Und von dort aus wieder entlang an den Ufern des Neckars bis zu dessen Ursprung im Schwenninger Moos.

Für das gesamte Projekt benötigte der Künstler über 2 1/2 Jahre - zunächst fast ausschließlich für literarische und historische Recherchen und die "Location"-Suche. Die Fotoproduktion erstreckte sich dann über einen Zeitraum von 1 3/4 Jahren.

Unterwegs war er zu allen Jahreszeiten. Ein kurzer Überblick in Zahlen:

Er fuhr insgesamt über 18.000 Auto-Kilometer, ca. 500 km mit dem Fahrrad und wanderte fast 600 km zu Fuß. Während seiner "Forschungsreise" besuchte er in den Städten und Gemeinden mehr als 50 Kunst- und Landesmuseen, Fachausstellungen, heimatkundliche und stadtgeschichtliche Sammlungen.

Sämtlichen Bildsequenzen stellte Bernhardt einen Aufbau in 3 Ebenen voran:

  1. die reale Flusslandschaft / Örtlichkeit,
  2. die Assoziationsebene, die in direktem Bezug dazu steht und
  3. die "Meta"-Ebene, die durch Eingebungen und "kairos" das entstehende Bild beeinflusst.

So stellte Bernhardt während seiner Reisen fest, dass die Regionen des Neckars ganz andere rhythmische Spezifikationen aufweisen, als die des Rheins. Dementsprechend entwickelte er einen unterschiedlichen dramaturgischen Aufbau:

In den Bildsequenzen des Neckars sind mehr Menschen und Dichter des Landes abgebildet und in einem elegischen Rhythmus gestaltet. Bei den Rheinsequenzen ist seine Bildauswahl eher kunsthistorisch und politisch geprägt. Hier zeigt er uns Relikte vergangener Zeiten und daneben teilweise gespenstisch wirkende Kernkraft- und Industrie-Anlagen, die - laut Bernhardt - "Trutzburgen" unserer modernen Zeit.

 

 

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Der Wandfilm

Was lässt sich über ein Projekt sagen, an dem ich eineinhalb Jahre gearbeitet hatte? Wo der Anfang schon in weite Ferne gerückt ist und ich einem Romanautor nachempfinden kann, der die Rastlosigkeit und die Maßlosigkeit in einen geordneten Fluss zu bringen versucht. An manchen Orten war ich verzweifelt, weil nach mehrmaligen Anläufen immer noch kein befriedigendes Bild die Mühe lohnte, dann aber war es an anderen Orten wie gefügt oder vorherbestimmt, einmalig und nicht wiederholbar.

Zu mehr als 256 Orten führte mich meine Reise. 18.430 km mit dem Auto, der Bahn, dem Campingwagen, 893 km zu Fuß oder mit dem Rad, und auch mit dem Schiff war ich unterwegs. Nach 158 Produktionstagen war dann das Material zusammen für die längsten Filmfriese der Welt, Porträts von zwei wichtigen Kulturströmen Europas.

Aber nicht dieser Superlativ reizte mich so sehr, vielmehr das im Zyklus der Jahreszeiten ständig auf der Suche nach dem sich wandelnden Licht zu sein. In diesem Lichterwandel tauchten dann die Assoziationen auf zu den großen Vorbildern der Landschaftsmalerei. Denn Claude Lorrain begegnete nun Hans Thoma, Turner stand neben Dix, Canaletto neben Whistler, Caspar David Friedrich neben Corot. Die Zeiten änderten sich und die Geschichten der Menschen.

Die Farben des Lichts und das Geflecht der Geschichten, Selbsterlebtes und Ausgedachtes, Zufälliges und Konstruiertes, recherchierte Zusammenhänge und spontane Erkenntnisse, gefährliche und beschauliche Situationen wechselten sich ständig ab, denn kein Drehbuch und keine Story hätte die Assoziationen zusammen fassen können. Dafür gab es 1001 Geschichten, und sie bildeten die Struktur eines geschichtlichen Verlaufs, dessen Ende nicht absehbar war und dessen Anfang vor Hunderten Millionen Jahren begann, in der Frühzeit des Lebens auf unserem Planeten.

Wer die Flüsse Rhein und Neckar im Zeitraffer ihrer Entstehung und Wandlung betrachtet und die kurze Zeitspanne, in der der Mensch gestaltend oder auch zerstörend in die Landschaft eingreift, sich vergegenwärtigt, dem wird auch das Wort des Heraklit in den Sinn kommen: "Alles fließt, aber man steigt niemals in denselben Fluss."

So stand ich mehrmals an den gleichen Orten, die sich mir immer anders zeigten und in mir eine große Verwirrung hinterließen, anstatt eine Bestimmtheit.

Und dennoch, aus der Fülle des gewonnenen Materials (mehr als 600 Kleinbildfilme) und dank der Hilfe des Sponsors konnte es mir gelingen, ein Destillat aus persönlichen, aber auch allgemeinen Bedeutungen herzustellen, das, wie ich hoffe, dem Betrachter die Möglichkeit gibt, die Komplexität, aber auch die Klarheit, den Wandel und das Beständige dieser Flüsse zu erkennen. Dabei ging es mir letztlich nicht mehr um das Einzelmotiv, sondern um den Rhythmus und den Zusammenhang der Bilder.

Anschauungen, die sich im Zusammenhang meiner Arbeit mit Zeitmedien herausgebildet und mein Auge geschult hatten, kamen mir jetzt bei der Bewältigung dieser extremen Dimension zu gute. So führten meine Experimente und Forschungen auf dem Gebiet Film, Video und Installation zum Filmfries, der mir die Dimension und die Farbklänge der Malerei, die ich einst verlassen hatte, mit Hilfe der Fotografie wieder zurück gab.

Stuttgart, 11.12.1992

Ulrich Bernhardt

Sponsor:   Kodak AG, Stuttgart

 

Letzte Aktualisierung:  06.06.2002